Das Leiden der Tiere und die Politik der Scham
Kurzbezeichnung
The Politics of Shame
Projektleitung an der Vetmeduni
Einrichtung Vetmeduni
Geldgeber
Art der Forschung
Grundlagenforschung
Laufzeit
01.10.2025
-
30.09.2028
Forschungsschwerpunkt
Veterinärmedizinische Ethik und Tierschutz
Projektkategorie
Einzelprojekt
Abstract
Theoretischer Rahmen
Vor dem Hintergrund widersprüchlicher Ansichten über Scham und ihre Funktion(en) geht dieses Projekt von der Annahme aus, dass Scham nicht nur für die Konstruktion von Subjektivität und die Regulierung der Gesellschaft wesentlich und unvermeidlich ist, sondern dass sie auch kritische Möglichkeiten bietet, die normativen Annahmen, die das Subjekt und die Gesellschaft konstituieren, in Frage zu stellen. Scham ist nicht etwas, das wir eliminieren oder verhindern können. In diesem Projekt wird argumentiert, dass Scham als kritisches Instrument zur Infragestellung der normativen Infrastruktur, die die Gesellschaft reguliert, effektiver mobilisiert werden kann. Dies ist die „Politik der Scham“: nicht Scham als Mittel zur individuellen Veränderung, sondern Scham als Mittel zur gesellschaftlichen Veränderung auf der Ebene der Normen.
▪ Hypothesen und Forschungsfragen
Das Projekt zielt darauf ab, eine „Politik der Scham“ zu entwickeln, die auf den in den letzten Jahrzehnten erarbeiteten konstruktiven Modellen der Scham aufbaut, sich aber speziell mit Scham als Reaktion auf Tierleid beschäftigt. Während sich traditionelle Darstellungen auf die Funktion der Scham als produktive Reaktion auf die Übertretung von gesellschaftlich sanktionierten Normen durch Individuen konzentrieren, konzentriert sich dieses Projekt auf die Scham als produktive Reaktion auf die Normen selbst, in diesem Fall auf moralisch fragwürdige Normen im Zusammenhang mit der Behandlung von Tieren in unserer Kultur. Das Leiden von Tieren steht im Mittelpunkt der Analyse, weil es die moralische Fragilität der Normen aufzeigt, die die menschliche Nutzung und Behandlung von nichtmenschlichen Tieren unterstützen.
Ansatz und Methoden
Das Projekt ist im Rahmen der so genannten „politischen Wende“ in der Tierethik angesiedelt. Die Moralphilosophie und ihre „politischen“ Bezüge werden den allgemeinen Rahmen des Projekts bilden und für Konsistenz und Kohärenz sorgen. Wie jede Forschung zur Politik der Emotionen ist das Projekt jedoch interdisziplinär und wird sich auf verschiedene Disziplinen stützen, wie z. B. Psychologie, Moralpsychologie, Phänomenologie der Emotionen, Psychoanalyse, Anthropologie, Theologie, Ethologie, Affekttheorie, Traumaforschung, Holocaustforschung und Literaturwissenschaft.
▪ Originalität und Innovation
Das Konzept einer „Politik der Scham“ beinhaltet und beruht auf zwei Formen der Kritik: der Kritik an der Scham als Instrument der Macht und Kontrolle und als Werkzeug der Normalisierung; und der Kritik an einer Gesellschaft, in der die Scham immer weniger in der Lage ist, akzeptable Werte zu definieren, aber auch an einer Kultur, die die Scham wegen des Schreckens, den sie bestimmten Kategorien von Menschen zufügt, ablenkt und leugnet. Der originelle und innovative Charakter der Politik der Scham besteht darin, dass sie sich gegen normalisierende Strukturen wendet, die sowohl zur Scham als auch zur Schamlosigkeit führen. Durch die Befragung der Normen selbst wird das Projekt schließlich darüber nachdenken, worum es bei der Moral geht.
Primär beteiligte Forscher
Die Projektteilnehmer sind Dr. Carlo Salzani (PI) und Herr Thomas Kainberger (Doktorand)