Aggregationsmechanismen bei brutpflegenden Fischen

Kurzbezeichnung
Breeding aggregations in fishes
Art der Forschung
Grundlagenforschung
Laufzeit
01.05.2008 - 30.04.2013
Projektkategorie
Einzelprojekt
Abstract
Die Frage, warum Tiere in riesigen Kolonien brüten, beschäftigt Ökologen schon seit Jahrzehnten. Dabei versteht man unter Kolonien Ansammlungen von Brutplätzen, die der Jungenaufzucht dienen. Die gängigste Hypothese zur Erklärung solcher Kolonien stammt aus den 1930er Jahren und geht davon aus, dass Tiere, die in Kolonien leben, von vermindertem Raubdruck in großen Gruppen profitieren. Obwohl diese Idee seit damals Gegenstand intensiver Forschung ist, gibt es überraschenderweise bis heute keine Studie, die Koloniebildung experimentell untersucht. Grund hierfür ist vermutlich, dass sich Vögel � die in diesem Forschungsgebiet vorherrschenden Modelltiere � nicht für experimentelle Manuipulationen ihrer Brutkolonien eignen. Um dieses Problem zu umgehen, haben wir stattdessen Fischkolonien im 16 000l-fassenden ringförmigen Aquarium unseres Institutes etabliert. Dazu wurden 16 männliche und 16 weibliche Buntbarsche (Neolamprologus caudopunctatus) in das Aquarium eingesetzt, wo sie die Möglichkeit hatten, sich zu verpaaren, Nester zu bauen und Eier zu legen. Innerhalb von zwei Jahren wurden so insgesamt 14 Kolonien untersucht, bei denen wahlweise Fressfeinde im Aquarium anwesend oder nicht anwesend waren. Wir stellten fest, dass Fische in Kolonien mit Raubdruck ihre Nester signifikant dichter nebeneinander bauten als jene in Kolonien ohne Fressfeinde. Mit dieser Studie gelang es uns erstmals experimentell nachzuweisen, dass die Anwesenheit von Fressfeinden eine treibende Kraft für Koloniebildung sein kann. In Kombination mit den Experimenten im Aquarium unter kontrollierten Bedingungen erforschten wir die Buntbarsche auch in ihrem natürlichen Lebensraum, dem Tanganjikasee im Süden Afrikas. Mit Hilfe der Kartierung des Gebietes und der Gewinnung zahlreicher DNA-Proben von Familien innerhalb einer Kolonie mit 126 Nestern, gelangten wir zu neuen bedeutenden Erkenntnissen bezüglich des Verhaltens dieser kolonielebenden Tierart. Um die Verwandtschaftsverhältnisse der einzelnen Fische zueinander festzustellen, wurden DNA-Analysen durchgeführt. Dabei fanden wir heraus, dass es � im Gegensatz zu den meisten sozial monogamen Vogelarten � beim Buntbarsch N. caudopunctatus keine �ehebrecherischen� Verpaarungen gibt, als deren Folge das Weibchen Jungtiere eines fremden Männchens zur Welt bringen würde. Unsere DNA-Analysen zeigten vielmehr das verbreitete Auftreten von Adoptionsfällen. Entsprechend fanden wir in der Mehrzahl der Nester zusätzlich zu den eigenen Nachkommen auch Jungtiere, die mit keinem der �Elternteile� verwandt waren. Erstmals ist es uns mit dieser Studie außerdem gelungen, gleich mehrere (12) adoptierte Larven ihren genetischen Eltern zuzuordnen, wobei in einigen Fällen die Distanz zwischen dem Geburtsnest und dem Nest der Adoptiveltern erstaunlich groß war (maximal 40 m). Bei der hohen Dichte an Raubfeinden rund um die Kolonie ist es sehr unwahrscheinlich, dass kleine Jungfische diese Strecke unversehrt allein zurücklegen können. Tatsächlich legen weitere Analysen die Vermutung nahe, dass die Larven stattdessen im Maul ihrer Eltern transportiert werden, um dann in fremden Nestern entlassen zu werden, wo sie sich mit dem Nachwuchs der Adoptiveltern vermischen. Ein derart selbstloses Verhalten wirkt vorerst wie ein Widerspruch zu Darwins Ideen, die besagen, dass Organismen ihren eigenen Reproduktionserfolg maximieren sollten und keinerlei evolutionären Vorteil davon hätten, fremde Jungen aufzuziehen. Allerdings gibt es für Adoption eine Erklärung, wonach der eigene Nachwuchs aufgrund des sogenannten Verdünnungseffektes innerhalb einer großen Gruppe weniger wahrscheinlich Fressfeinden zum Opfer fällt. Ähnlich unserem Kolonie-Experiment lassen auch die Erkenntnisse aus der Adoptions-Studie vermuten, dass Raubdruck eine der treibenden Kräfte für Koloniebildung ist und dass sich dafür im Tierreich unterschiedliche Verhaltensanpassungen entwickelt haben.

Weitere Details