Aktuell gibt es am Markt tierischer Produkte unzählige privatrechtliche und auch akkreditierte Gütesiegel und Qualitätsprogramme, die vorgeben für „mehr Tierwohl“ zu stehen.
Der Begriff „Tierwohl“, wird dabei oft inflationär verwendet, meist ohne konkrete Angaben, worauf sich der Begriff im Einzelfall bezieht. Das Vertrauen der Konsumentin in diesen Begriff wird mangels einheitlicher Vorgaben langfristig geschädigt.
Doch Tierwohl oder zu Englisch „Animal Welfare“, ist keineswegs ein „schwammiger“ Begriff. Es gibt klare Definitionen sowie Protokolle zur Beurteilung von Tierwohl für alle gängigen Nutztiere in menschlicher Obhut. Eine eigene wissenschaftliche Disziplin, beschäftigt sich einschlägig mit dem Thema „Tierwohl“, namentlich die „Tierwohl-Wissenschaften“ oder auch „Animal Welfare Sciences“.
Hier am „Zentrum für Tierernährung und Tierschutzwissenschaften” der Vetmeduni Wien gehört dies zu unseren Kernkompetenzen.
Nach Fraser (1997) muss Tierwohl drei Bereiche abdecken können:
1.
Subjektives Empfinden (psychische Gesundheit und Abwesenheit von Unwohlsein)
2.
Die Möglichkeit natürliche Verhaltensweisen ausleben zu können (der Art entsprechend)
3.
Biologische Funktion (physische Gesundheit)
Fraser et al., (1997).
Darüber hinaus gibt es bereits eine aktuellere Definition welche auch „positives Tierwohl“ beinhaltet. Diese fordert nicht nur die Abwesenheit von Unwohlsein, sondern explizit das Vorhandensein positiver Erfahrungen:
‘Positive animal welfare is defined as the animal flourishing through the experience of predominantly positive mental states and the development of competence and resilience’.
Rault et al., (2025).
Im Kontrast zu diesen Ansprüchen an den Begriff „Tierwohl“, beschränken sich vorhandene Programme und Gütesiegel-Geber am Markt tierischer Erzeugnisse hingegen vorwiegend auf Ressourcen-basierte Parameter und erfassen, wenn überhaupt, nur oberflächlich tierbezogene Parameter als direkte Indikatoren dafür, wie sich ein Haltungssystem auf das Tierwohl (Fokus auf Gesundheit) des Individuums auswirkt. Denn die objektive und regelmäßige Erfassung ist zeitaufwendig, erfordert geschultes Personal und wird daher als zu kostenintensiv eingestuft. Ergo gibt es bis dato keine praxisreifen Konzepte im deutschsprachigen Raum, welche flächendeckend (über eine Branche hinweg) eingesetzt werden.
Im Zuge dieses Pilotprojektes soll daher auf Betrieben der Wanderhuhn GmbH ein Erhebungsprotokoll getestet werden, welches sich an bereits validierten Protokollen zur Erfassung von Tierwohl orientiert, wie etwa dem „Welfare Quality Protocol “(2) oder dem „Leitfaden für Tierschutzindikatoren: Leitfaden für die Praxis – Geflügel“ von KTBL (2).
Anhand dieser Audits wird der Tierwohlstatus nach standardisierten Methoden erhoben, um eine Grundlage für objektives Tierwohl-Benchmarking zu schaffen.
Der Daten-basierte Konnex zwischen betriebswirtschaftlichen Aspekten und der Umsetzung Tierwohl-fördernder Maßnahmen soll im Zuge des Audits ausführlich kommuniziert werden.
Ergebnisse aus dem transnationalen Projekt „omlette“ (https://omelette.nweurope.eu) zeigen eindrücklich, dass langfristig nur betriebsspezifische Maßnahmen erfolgreich darin sein können, Tierwohl nachhaltig zu steigern;
Die Basis für dieses betriebsspezifische „Coaching-Verfahren“ wird im Zuge eines Betriebsbesuches und Erhebung validierter Tierwohl-Parameter geschaffen.
Zielsetzung ist es diese neuartige Form der Dienstleistung (Betriebsberatung mit Fokus Tierwohl) in der Praxis zu erproben und anschließend durch eine Auswertung einen Status Quo aller teilnehmenden Betriebe zu erheben. Letztlich soll mittels anonymer Umfrage Feedback der Tierhalter eingeholt werden, um die Akzeptanz dieser Form von Audit an tierhaltenden Betrieben auszuloten.